Interdisziplinäres Team möchte Allergie-Score entwickeln

Koordination des Projektes

Frau Prof. Dr. Schaub von der LMU München ist für die Koordination des Verbundprojektes CHAMP zuständig. Dies bedeutet auch den Austausch und die Koordination zwischen den einzelnen Teilprojekten.

Gesundheitsbezogene Lebensqualität bei Kindern und Jugendlichen mit allergischen Erkrankungen und Lebensqualität der Eltern

Im Fokus steht die Frage: Wie wirken sich allergische Erkrankungen wie Neurodermitis, Heuschnupfen, Lebensmittelallergie(n) und Asthma auf die Lebensqualität von betroffenen Kindern und Jugendlichen aus?
Da es zum Einfluss verschiedener Allergien auf die Lebensqualität (LQ) von Kindern und Jugendlichen nur wenige Erkenntnisse gibt, starten Gesundheitswissenschaftler der Universität Bielefeld hierzu eine Online-Befragung. 

Junge Patienten können am besten selbst beurteilen, wie sie sich mit einer allergischen Erkrankung fühlen. Daher ist es für dieses Projekt wichtig, betroffene Kinder und Jugendlichen direkt zu befragen (Selbstbericht). Sind die betroffenen Kinder noch sehr jung, wird ein Elternteil gebeten, die Fragen stellvertretend für das Kind zu beantworten (Fremdbericht). 

Für die Befragung kommen unterschiedliche Lebensqualitäts-Fragebögen zur Anwendung. Welcher Fragebogen eingesetzt wird, ist abhängig vom Alter und der vorliegenden allergischen Erkrankung des Kindes. Zwischen 0 und 7 Jahren füllen die Eltern die Fragebögen stellvertretend für ihr Kind aus, ab einem Alter von 8 Jahren können die Kinder den Fragebogen selbst ausfüllen. Um zu prüfen, ob sich die Lebensqualität allergieerkrankter Kinder von der Lebensqualität gesunder Kinder unterscheidet, werden zudem auch Kinder und Jugendliche ohne eine allergische Erkrankung bzw. deren Eltern befragt. Außerdem wird genauer betrachtet, ob und wie sich die Erkrankung des Kindes auf die Lebensqualität der Eltern auswirkt, d.h. die Eltern geben Auskunft nicht nur aus dem Blickwinkel der Kinder, sondern auch in Bezug auf ihre eigene Situation. Auch hier sollen zusätzlich die Eltern gesunder Kinder zur ihrer Lebensqualität befragt werden, um mögliche Unterschiede herausstellen zu können.

Ein weiterer Aspekt ist, ob und wie sich die Lebensqualität der Kinder, Jugendlichen und Eltern über einen längeren Zeitraum in Abhängigkeit von der Erkrankung selbst verändert. Um vergleichbare Daten zu erhalten, wird die Online-Befragung mehrmals zu unterschiedlichen Zeitpunkten durchgeführt, zum Projektstart, nach 1 Jahr und nach 2 Jahren.
Das Ziel ist es, dass die subjektive Wahrnehmung -  also wie es den Kindern und Jugendlichen mit ihrer allergischen Erkrankung geht -  stärkere Berücksichtigung in der Behandlungsplanung findet.

Frühe Vorhersage von allergischen Erkrankungen

Dieses Forschungsprojekt untersucht allergische Erkrankungen wie Nahrungsmittelallergien, Neurodermitis, Asthma und Heuschnupfen im Kindes- und Jugendalter. Im Laufe der Studie sollen zu diesen Erkrankungen bestimmende Faktoren identifiziert werden, die eine Aussage über den zukünftigen Krankheitsverlauf erlauben.

Dazu wird das Blut von einer Vielzahl von Kindern im Alter von Null bis 17 Jahren analysiert. So sollen klinisch relevante Biomarker gefunden werden, die die Entstehung einer allergischen Erkrankung und deren Krankheitsverlauf vorhersagen. Als Biomarker versteht man charakteristische biologische Merkmale, die z.B. im Blut gemessen werden können und auf einen normalen biologischen oder auch auf einen krankhaften Prozess im Körper hinweisen. Anhand dieser Marker soll ein Allergie-Score (Bewertungsschema) entwickelt werden, mit dessen Hilfe das Allergierisiko bereits in früher Kindheit eingeschätzt werden kann.

Natürliche Faktoren der Toleranzentwicklung bei Nahrungsmittelallergie – ein Schlüssel für die Prognose und zukünftige Therapieoptionen

Nahrungsmittelallergien entwickeln sich häufig bereits im Säuglings- und Kleinkindalter, oftmals parallel zum Auftreten einer Neurodermitis. Viele Kinder mit Nahrungsmittelallergie verlieren diese über die Zeit (Toleranzentwicklung), während andere die Allergie bis ins Jugendlichen- oder Erwachsenenalter behalten.

Ein Beispiel: ungefähr die Hälfte der Kinder mit Hühnereiallergie können Hühnerei nach einem Jahr wieder verzehren, während es bei der Erdnussallergie nur ungefähr jedes fünfte Kind ist. Im Rahmen dieses Teilprojektes soll die Entstehung der Toleranzentwicklung genauer erforscht werden.

Es werden zurzeit Therapien für die Nahrungsmittelallergie erprobt, u.a. die so genannte orale Immuntherapie, bei der der Körper langsam an den Allergieauslöser gewöhnt wird. Auch hierfür ist es wichtig zu verstehen, warum bestimmte Kinder von Natur aus tolerant werden, ein Nahrungsmittel also irgendwann wieder vertragen, um dies auch entsprechend früh voraussagen zu können. In diesem Teilprojekt wird untersucht, wie die natürliche Toleranz entsteht. Dazu sollen Faktoren identifiziert werden, die eine Toleranzentwicklung voraussagen können. Ebenfalls wird untersucht, ob sich die natürliche Toleranzentwicklung von der durch eine orale Immuntherapie herbeigeführten Toleranz unterscheidet.

Schwere Verläufe und Begleiterkrankungen bei allergischen Erkrankungen

Hier wird untersucht, warum eine allergische Erkrankung bei Kindern und Jugendlichen manchmal schwer verläuft. Es wird vermutet, dass schweres Asthma einerseits erblich bedingt ist und zugleich durch Einflüsse aus der Umwelt entsteht. Außerdem wird geschaut, ob weitere, gleichzeitig auftretende Erkrankungen (Komorbididäten) die Allergie und/oder das Asthma beeinflussen. Bei den zusätzlich auftretenden Erkrankungen stehen besonders das schwere Übergewicht sowie Verhaltensauffälligkeiten in Form eines Aufmerksamkeitsdefizitsyndroms (ADS/ADHS) im Fokus. Aus verschiedenen früheren Untersuchungen liegen bereits Ergebnisse vor, die in Datenbanken („German Asthma Net“ GAN und „Pilotstudie zu Neuen Volkskrankheiten im Kindes- und Jugendalter“ NIKI) erfasst wurden und nun neu zusammengestellt werden. Dazu werden weitere Kinder und Jugendliche untersucht und die Ergebnisse miteinander verglichen.

Charakterisierung von Mechanismen und Markern bei Kindern und Jugendlichen, die Ihre Allergie verlieren, um neue Therapiemöglichkeiten für alle zu entdecken

Hier soll entschlüsselt werden, warum manche Kinder ihre allergische Erkrankung verlieren und wie genau dieser Prozess im Körper abläuft. Außerdem wird der „künstlich herbeigeführte“ Heilungsprozess analysiert, der im Rahmen einer Spezifischen Immuntherapie erfolgt. Beide Mechanismen werden verglichen, um diese neuen Erkenntnisse bei der Entwicklung von Therapien anzuwenden.

Asthma und Allergien sind die häufigsten chronischen Erkrankungen im Kindesalter in Deutschland. Allergien stellen eine große und in vielen Fällen lebenslange Belastung für Patienten und ihre Familien dar. Bis heute gibt es keine Medikamente, die zu einer vollständigen Heilung führt. Mit Medikamenten ist allerdings in vielen Fällen eine Kontrolle der Symptome bei atopischem Asthma, allergischem Heuschnupfen und Neurodermitis möglich. Mit der Hyposensibilisierung ist eine Immuntherapie-Methode verfügbar, die bei einigen, aber nicht allen Patienten mit Asthma und Heuschnupfen erfolgreich ist. Obwohl Allergien allgemein als chronische Krankheiten angesehen werden, ist eine natürliche Heilung bei Kindern und Jugendlichen möglich (in Studien bei ca. 5% aller Patienten pro Jahr) und damit deutlich häufiger als bei Erwachsenen, bei denen selten eine Heilung eintritt (1-2% pro Jahr). Wenn wir verstehen, wie es zu dieser natürlichen Heilung kommt, könnten wir daraus lernen, wie man mit der Aktivierung dieser Mechanismen auch bei anderen Patienten die Erkrankung stoppen und heilen könnte.

In dieser Studie werden Kinder und Jugendliche (zwischen 6 und 18 Jahren), die ihre Erkrankung verlieren, sorgfältig untersucht. Der Krankheitsverlauf wird ausführlich dokumentiert und Bioproben gesammelt. Für ein umfassendes Bild der biologischen Prozesse der Heilung werden die derzeit verfügbaren, hochmodernen Hochdurchsatztechnologien sowie künstliche Intelligenz in der Datenauswertung angewendet. Ziel ist es zu verstehen, ob diese Heilungsmechanismen bei unterschiedlichen allergischen Erkrankungen nach dem gleichen Muster ablaufen und ob natürliche Heilung und die Wirkung der Immuntherapie über dieselben Mechanismen funktionieren. Damit wäre es erstmalig möglich, individuelle Vorhersagen über den Verlauf von allergischen Erkrankungen abzugeben und die Grundlage dafür zu schaffen, in Zukunft gezielt Heilungsmechanismen nach dem Vorbild natürlicher Prozesse bei den Patienten anzustoßen, bei denen diese Mechanismen nicht von selbst starten.

Einfluss von Bakterien (Mikrobiom) auf den Verlauf allergischer Erkrankungen

Dieses Teilprojekt hat als Ziel, einen Zusammenhang von Krankheitsverläufen allergischer Erkrankungen mit dem menschlichen Mikrobiom aufzudecken. Das Mikrobiom bezeichnet die Gemeinschaft von Mikroorganismen (wie z.B. Bakterien, Pilze oder Viren), die eine bestimmte Umwelt bewohnen und das menschliche Mikrobiom bezeichnet im Besonderen die Ansammlung derjenigen Mikroorganismen, welche in oder auf dem menschlichen Körper leben.

Um festzustellen, wie das menschliche Mikrobiom Einfluss auf die Krankheit nimmt, werden Proben aus verschiedenen Körperregionen von Patienten mit allergischen Erkrankungen gesammelt (z.B. Nasen- und Rachenabstriche bei Asthmapatienten, Hautabstriche und Stuhlproben bei Patienten mit Nahrungsmittelallergie). Die genetische Information (DNA) dieser Proben wird im nächsten Schritt für eine sogenannte 16S rRNA Sequenzierung herangezogen, womit bestimmt werden kann, welche Arten von Bakterien in einer Probe enthalten sind. Die Zusammensetzungen der Bakterien werden dann zwischen Patienten, bei denen die Symptomatik zurückgegangen ist und Patienten, bei denen die Symptomatik fortbesteht, verglichen.

Auf diese Art sollen klinisch relevante Bakterien gefunden werden, die den Verlauf allergischer Erkrankung schon früh nach der Diagnosestellung entscheidend beeinflussen können.

Prägung von Toleranz und Allergie

Im Teilprojekt 8 werden die immunologischen Mechanismen der frühkindlichen Entwicklung von der Verträglichkeit gegenüber Allergieauslösern untersucht. Frühe immunologische Erfahrungen haben eine lebenslang prägende Bedeutung für das Risiko, eine allergische Erkrankung zu entwickeln. Daher ist ein besseres Verständnis jener dieser Toleranzentwicklung zugrundliegenden Abläufe von großer Bedeutung für die primäre Prävention.

Toleranzentwicklung wird durch verschiedene Faktoren beeinflusst, z.B. genetische Veranlagung, Umweltfaktoren (z.B. Aufwachsen im bäuerlichen oder städtischen Milieu), die Besiedlung des Körpers mit Mikroben, Ernährung, (Atemwegs-) Infektionen und andere Einflüsse in der Neugeborenenzeit (Kaiserschnitt, Antibiotikatherapien und Stillen). Ziel ist es, das Zusammenspiel all dieser Faktoren besser zu verstehen und gemeinsame Fehlentwicklungen zu erkennen, die den verschiedenen allergischen Erkrankungen zugrunde liegen. Grundlage der Forschung sind experimentelle Ansätze zu allergischem Asthma, Nahrungsmittelallergie und Neurodermitis, mit deren Hilfe verschiedene einzelne Einflussfaktoren gezielt untersucht und neue Präventionsansätze getestet werden können: Hierbei wird einerseits der Einfluss eines Gens gezielt untersucht. Aus Kohortenstudien mit Kindern im Schulalter ist bekannt, dass bakterielle Komponenten die Toleranzentwicklung positiv unterstützen. Daher wird in einem weiteren Ansatz untersucht, ob z.B. die Gabe bestimmter bakterieller Komponenten die Toleranzentwicklung in verschiedenen Lebensaltern verbessert und Krankheiten wie Asthma und Nahrungsmittelallergie verhindert.